Seit 1994 ist in der Europäischen Union das routinemäßige Schwanzkupieren beim Schwein verboten. Status quo ist jedoch, dass bei ca. 95 % der konventionell gehaltenen Schweine in den EU-Mitgliedsländern in den ersten Lebenstagen die Schwänze gekürzt werden. Aufgrund dieses systematischen Verstoßes gegen geltendes europäisches Recht, begann die EU-Kommission 2016 in zahlreichen Mitgliedsländern (u.a. in Deutschland, Spanien, Italien, Dänemark und Niederladen) vor Ort zu überprüfen, wie die EU-Gesetzgebung in nationales Recht aufgenommen und auch umgesetzt wird.

Österreich wurde 2019 von der EU-Kommission diesbezüglich auditiert und die schriftliche Bewertung durch die Kommission ergab Schwachstellen bei der Umsetzung der EU-Schweinehaltungsrichtlinie im Bereich der Haltung kupierter Schweine. Zusätzlich wurde Österreich aufgefordert, Maßnahmen zur Verhütung des Schwanzbeißens und zur Vermeidung des routinemäßigen Schwanzkupierens umzusetzen. Aber nicht nur Österreich wurde zum Ergreifen von Maßnahmen aufgefordert, auch Deutschland, Spanien, Dänemark und die Niederlande erhielten eine solche Aufforderung. Ein angedrohtes Vertragsverletzungsverfahren verschärfte zusätzlich den Druck auf die Mitgliedsländer, den Kupierverzicht voranzutreiben und den Anteil an Schweinen mit intaktem Schwanz kontinuierlich zu erhöhen.

Aus diesem Grund wurde ein Aktionsplan zur Reduktion von Schwanzkupieren bei Schweinen erarbeitet, welcher die Grundlage für die Überarbeitung und Änderungen der 1. Tierhaltungsverordnung bildet, welche mit 01.01.2023 in Kraft getreten sind.

Tierhalter/innen von kupierten Schweinen sind ab 2023 verpflichtet, Maßnahmen für eine Reduktion des Schwanzkupierens zu ergreifen und diese auch zu dokumentieren.

Dazu gehört in einem ersten Schritt die Erhebung von Schwanz- und Ohrverletzungen im Betrieb und die jährliche Durchführung einer Risikoanalyse sowie die anschließende Bestätigung der Durchführung dieser und der ergriffenen Optimierungsmaßnahmen in der so genannten Tierhaltererklärung.

Tierhalter/innen, die weiterhin die Schwänze ihrer Schweine kupieren bzw. kupierte Schweine einstallen, müssen die „Unerlässlichkeit“ dieser Maßnahme für ihren Betrieb mit einer jährlichen Tierhaltererklärung gemäß Anhang A der 1. THVO nachweisen (einmal pro LFBIS Nummer). Hierzu ist es notwendig, das Auftreten von Schwanz-/Ohrverletzungen zu dokumentieren und gleichzeitig die Haltungsbedingungen und das Betriebsmanagement so zu optimieren, dass diese Verletzungen möglichst vermieden werden. Es muss nachweislich durch einen fortwährenden Prozess von Optimierungsmaßnahmen darauf hingearbeitet werden, Schwanz-/Ohrenbeißen und andere Verhaltensstörungen zu verhindern. Um geeignete Optimierungsmaßnahmen einzuleiten, dient die Risikoanalyse zur Beurteilung der betriebsindividuellen Risikofaktoren für Schwanz-/Ohrenbeißen. Diese basiert auf den Anforderungen der Empfehlung (EU) Nr. 2016/336 der Kommission zur Anwendung der Richtlinie 2008/120/EG über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen im Hinblick auf die Verringerung der Notwendigkeit, den Schwanz zu kupieren.

Zum Zwecke der Dokumentation der aufgetretenen Schwanz- und Ohrverletzungen müssen auch Halter/innen von ausschließlich unkupierten Tieren eine Tierhaltererklärung gemäß Anhang B der 1. THVO ausfüllen, die Durchführung einer Risikoanalyse ist jedoch optional.

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